Wirtschaftliche Rückgewinnung von Kunststoffen, Metallen und Energie aus Verbunden

Pressemitteilung /

Von der Chipstüte über das Smartphone bis zum Autoradio: Viele unserer Alltagsprodukte bestehen aus Werkstoffkombinationen, die am Lebensende mit konventionellen Aufbereitungsverfahren nicht recycelt werden können. Komplexe Mischungen von Kunststoffarten, die Verwendung mechanisch nicht trennbarer Kunststoff-Kunststoff- oder Kunststoff-Metall-Verbunde oder der Gehalt an Altadditiven, die nach europäischer Gesetzgebung nicht mehr in Recyclaten enthalten sein dürfen, verhindern ein werkstoffliches Recycling. Gleichzeitig steigen der Bedarf an hochwertigen Recyclaten sowie die Recyclingquoten für Altprodukte weiter an. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wurde das Fraunhofer-Gemeinschaftsprojekt »kunstwerk« initiiert, in dem mit interessierten Produzenten und Recyclern die neue Technologiekombination erprobt und in der Praxis etabliert werden soll.

© Fraunhofer IVV

Die bayerischen Fraunhofer-Institute IVV aus Freising und UMSICHT aus Sulzbach-Rosenberg koppeln im Projekt »kunstwerk – Kombinierte Kunststoff- und Metallverwertung zu hochwertigen neuen Werkstoffen« zwei innovative Fraunhofer-Technologien, um kunststoffreiche Abfallströme vollständig und hochwertig zu verwerten. Mit dem CreaSolv® Prozess des IVV gelingt das werkstoffliche Kunststoffrecycling aus hochkomplexen und kontaminierten Abfällen. Die iCycle® Technologie des UMSICHT ermöglicht die effiziente thermo-chemische Konversion von Kunststoff-Metall-Verbunden zu Energieträgern und Metallkonzentraten. Durch das Zusammenführen der beiden Technologien wird nun erstmals ein ganzheitliches und wirtschaftliches Recyclingverfahren für komplexe Materialverbunde angeboten. Beide Prozesse erreichten in den letzten Jahren die Industriereife und werden nun gemeinsam in den deutschen und europäischen Markt eingeführt. 

Verpackungen, Elektroaltgeräte und Altautos im Fokus

Beim Recycler landen die Kunststoff-Kunststoff- oder Kunststoff-Metall-Verbunde meist in jener Fraktion, die später verbrannt wird. Auf diese Weise wird allerdings nur ein Teil des Energieinhalts zurückgewonnen. Metalle, vor allem solche mit geringer Korngröße, gehen ungenutzt in der Schlacke verloren. So verwundert es kaum, dass von den nahezu 5 Mio. t post-consumer Kunststoffabfällen in Deutschland nur etwa 38 % bzw. 1,9 Mio. t recycelt werden. Auf der anderen Seite steigt der Bedarf an Kunststoffrecyclaten mittelfristig auf gut 5,3 Mio. t. Die Technologie des IVV erlaubt die selektive und wirtschaftliche Rückgewinnung von Kunststoffen wie PE aus Verpackungen, PP, PS und ABS aus Elektroaltgeräten oder ABS aus Bauteilen von Altautos bzw. Shredderleichtfraktionen. Die Restfraktionen des Creasolv®-Prozesses enthalten neben geringen Mengen weiterer Kunststoffe auch wertvolle und seltene Metalle. Diese Fraktion bildet das Ausgangsmaterial für den iCycle® Prozess. Durch Erhitzen des Materials auf 500 °C bei gleichzeitigem Luftabschluss bilden sich aus dem Kunststoffanteil heizwertreiche Öle und Gase, während die Metalle freigelegt werden. Das entstehende Metallkonzentrat kann anschließend vermarktet werden. »Die herausragende Produktqualität der CreaSolv® Recyclate erlaubt sie nahezu ohne Qualitätseinbußen für Neuware einzusetzen«, erläutert Dr. Andreas Mäurer vom Fraunhofer IVV den Verfahrensansatz. »Durch die Kopplung mit dem iCycle® Prozess werden wir unseren Prozess nun noch wirtschaftlicher machen und gleichzeitig ein Recycling vieler begehrter Metalle ermöglichen.«

Kritische Metalle aus Elektroaltgeräten

Nach der Rückgewinnung der Kunststoffe wird das metallhaltige Material in den iCycle® Prozess gegeben. »Mit Hilfe des iCycle® Prozesses ist es möglich, ein Metallkonzentrat zu gewinnen, welches in Abhängigkeit vom Inputmaterial mit Erlösen von über 2.500 € pro Tonne vermarktet werden kann. Aus den Rest-Kunststoffen gewinnen wir gleichzeitig energiereiche Gase und Öle, die energetisch genutzt werden können und beide Prozesse mit Energie versorgen werden« erklärt Dr. Peter Hense vom Fraunhofer UMSICHT. Die Kombination der Verfahren bietet Recyclern mehrere Vorteile: Sie erhalten Kunststoffrecyclate, wertvolle Metallkonzentrate und erzeugen gleichzeitig Energieträger, die beispielsweise mit einem Blockheizkraftwerk in Strom und thermische Energie verwandelt werden können. Durch Erweiterungen und Adaptierungen beider Prozesse entsteht zudem erstmals ein Verfahren, das die Metalle Antimon und Indium aus Altprodukten zurückgewinnt. Die Europäische Union stuft diese Metalle als versorgungskritisch ein. Beide finden sich vor allem in Elektroaltgeräten und werden aktuell quasi nicht zurückgewonnen.

Vermarktung

Im »kunstwerk« Projekt wird die strategische Allianz der beiden Fraunhofer-Institute innerhalb von zwei Jahren weiter ausgebaut, um das innovative Technologiepaket gemeinsam in die Vermarktung zu bringen. Dadurch werden künftige Anwender in die Lage versetzt, unerschlossene Potenziale der Recyclingwirtschaft zu heben. Neben der Verschaltung bestehender Technikumsanlagen und der Optimierung entstehender Schnittstellen wird auch eine Demonstrationskampagne durchgeführt, bei der Verpackungskunststoffe sowie Shredderleichtfraktionen aus Altfahrzeugen und Elektroaltgeräten eingesetzt werden. Interessierte Industriepartner haben die Möglichkeit sich an der Durchführung dieser Versuchskampagne zu beteiligen.

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