Forschung und Entwicklung zu Pflanzenkohlen / Biokohlen durch Karbonisierung / Pyrolyse

Fraunhofer UMSICHT entwickelt am Standort Sulzbach-Rosenberg Anlagen und Prozesse bzw. Herstellungsverfahren (insbesondere Pyrolyse) zur Karbonisierung von Biomasse und biogenen Abfall- und Reststoffen. Für unsere Partner bieten wir Entwicklungsleistungen und eine wissenschaftliche Projekt-Begleitung über die gesamte Wertschöpfungskette vom Einsatzstoff über die Herstellung bis zur Anwendung von Pflanzenkohlen / Biokohlen bzw. Karbonisaten an.

Vom biogenen Einsatzstoff (biogener Reststoff, Biomasse) bis zum Produkt: Biokohle, Pflanzenkohle, Karbonisat mit spezifischen Eigenschaften. Fraunhofer UMSICHT begleitet entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Pflanzenkohle-Herstellung und -Aufbereitung.

Karbonisate als CO2-Senken und Ersatz für fossile Kohlen

Reaktorsystem für die Karboniserung von biogenen Reststoffen zu Pflanzenkohlen beim Fraunhofer UMSICHT

Um die mittlere Temperaturerwärmung der Erde auf 1,5 Grad zu beschränken, sind laut IPCC ergänzende Maßnahmen notwendig, um CO2 aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen (Carbon Dioxide Removal). 

Die Karbonisierung von Biomasse mittels PyCCS (pyrogenic carbon capture and storage) gilt dabei als ein verlässlicher technischer Ansatz.

Er besteht darin, Pflanzen, die zuvor durch Photosynthese CO2 fixiert haben über thermochemische Verfahren in Pflanzenkohle / Karbonisate zu überführen.

Der in den Karbonisaten gebundene Kohlenstoff kann über lange Zeiträume effektiv und sicher gespeichert werden. Biomassekarbonisate, die als Substitut für fossile Kohlen verwendet werden, gelten als klimaneutral und können den CO2-Fußabdruck von Prozessen und Produkten senken.

Übersicht Leistungsspektrum

Neben der Entwicklung, Skalierung und Bewertung von Herstellungsverfahren für Karbonisate (insbesondere über thermochemische Konversionsprozesse / Pyrolyse) bieten wir ein umfassendes Paket an Laboranalytik und Aufbereitungsmethoden an.

Charakterisierung und Testung von Einsatzstoffen

  • Testung der Eignung von Einsatzstoffen zur Karbonisatherstellung auf eigenen thermochemischen Konversionsanlagen, insbesondere Pyrolysereaktoren
  • Unterstützung bei der Auswahl vorhandener Biomassen / biogener Reststoffe zur Herstellung von Pflanzenkohlen​
  • Datenbank mit Versuchsergebnisse zu über 70 getesteten Einsatzstoffen

Verfahrens- und Anlagenentwicklung

  • Entwicklung, Konstruktion und Prototypenbau von eigenen und externen Karbonisierungsanlagen / Pyrolyseanlagen
  • Unterstützung bei Anlagenkonzeption, Inbetriebnahme und Scale-Up
  • Beratung zur Verwertung und Aufbereitung von ggf. anfallenden Sekundärprodukten (Gas, Öl, Prozesswasser)
  • Unterstützung bei der Technologieintegration in bestehende Prozesse
  • Testkampagnen und Optimierung von Anlagen im eigenen Technikum oder extern

Analyse und Anwendungsoptimierung von Karbonisaten / Pflanzenkohlen

  • Analyse und Qualitätsbeurteilung von Karbonisaten
  • Aufbereitung und Veredelung der Karbonisate zu Produkten mit spezifischen Eigenschaften anhand definierter Parameter
  • Evaluation und Auswahl geeigneter Pflanzenkohlen für eine bestimmte Anwendung
  • Voruntersuchungen / Voranalytik für Zertifizierungsprozesse von Pflanzenkohlen​

Technische und wirtschaftliche Bewertung von Verfahren zur Karbonisierung

  • Technische Bewertung und Beratung bei der Auswahl von Karbonisat-Herstellungsverfahren und -anlagen​
  • Potenzialstudien und Wirtschaftlichkeitsabschätzungen​

Fraunhofer eigene Pyrolyseanlagen zur Karbonisierung / Herstellung von Pflanzenkohlen

© Fraunhofer UMSICHT
Karbonisate aus Gärresten
© Biomass Conversion and Biorefinery 2020
Karbonisate, die mit dem TCR-Verfahren erzeugt wurden (unten links) weisen niedrige Sauer- und Wasserstoffgehalte auf.

Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg hat langjährige Erfahrung in der Herstellung und Analytik von Karbonisaten (Pflanzenkohlen, Biokohlen, Pyrolysekohlen etc.) aus unterschiedlichsten biogenen und nicht-biogenen Einsatzstoffen.

Der Institutsteil verfügt über verschiedene Pyrolyseanlagen für die Karbonisierung von Biomassen vom Labor- bis in den großtechnischen Maßstab mit einem Durchsatz von 2, 10, 30 und 500 kg. In Versuchskampagnen lassen sich so auch große Mengen an Einsatzstoff durchsetzen und entsprechende Produktmengen erzeugen.

Hervorzuheben ist das am Institut eigenentwickelte Verfahren des thermo-katalytischen Reformings. Diese pyrolysebasierte Technologie erreicht durch einen nachgeschalteten Reformingschritt eine Aufwertung der in der Pyrolyse erzeugten Karbonisate. Die hohe Produktqualität erlaubt hochwertige Anwendungen der Karbonisate, die z.B. durch konventionelle (Flash-)Pyrolyse-Verfahren oder hydrothermale Prozesse wie die Hydro- und Vapothermale Karbonisierung nicht möglich sind. Mittels TCR-Verfahren erzeugte Karbonisate weisen niedrige Sauer- und Wasserstoffgehalte auf und besitzen eine hohe Stabilität in Bodenanwendungen. 

Neben den Karbonisierungs-Technologien sind verschiedene Vergaser-Teststände vorhanden, die für Pflanzenkohlen optimiert sind.  

© Fraunhofer UMSICHT
Forschungsreaktor für die Karbonisatherstellung mit 2 kg Durchsatz / h
© Fraunhofer UMSICHT
Groß-Demonstrationsanlage für die Herstellung von Karbonisaten bis zu 250 kg / h
© Fraunhofer UMSICHT
Festbettreaktor-Teststand für Pflanzenkohlen

Vorbehandlung, Analytik und Aufbereitung von Karbonisaten

Für die Konditionierung von Einsatzstoffen, die Analytik sowie die Aufbereitung der Pflanzenkohlen inklusive der Neben- und Folgeprodukte ist entsprechende Forschungs- bzw. Labor-Infrastruktur verfügbar.

Konditionierung von Einsatzstoffen / Probenvorbereitung Charakterisierung / Analytik Aufbereitung / Veredelung
Pelletieren, Mahlen, Trocknen Chemische Parameter (Wassergehalt und wasserextrahierbare Substanzen, Aschegehalt, PAK, Metalle, Brenn- und Heizwert, CHNO) Mahlen, Brikettieren, Pressen  
  Physikalische Parameter (Schüttdichte, Rütteldichte, Dichte über Heliumpyknometer, Korngrößenverteilung, Druckverlust, Stoßhärte, Rollabriebhärte, Ball-Pan-Härte, Hg-Porosimetrie) Klassierung, Nährstoffbeladung
 

Adsorptionsparameter

Jodzahl

BET (N2, CO2, Ar, Kr)

REM, EDX, RFA, XRO

 

Anwendungsgebiete für Pflanzenkohlen

Je nach Anwendungsgebiet müssen Pflanzenkohlen spezifische Eigenschaften erfüllen. Fraunhofer UMSICHT unterstützt bei der Aufbereitung und Veredelung von Karbonisaten zu Produkten mit definierten Parametern.

Bodenanwendungen

Pflanzenkohlen können mit dem Ziel der Kohlenstoffspeicherung oder der Bodenverbesserung Anwendung im landwirtschaftlichen Kontext finden. Wichtig bei einer solchen Anwendung sind je nach Zweck die physikalischen und chemischen Eigenschaften der jeweiligen Pflanzenkohlen, die Einhaltung von Grenzwerten nach internationalen Richtlinien und eine entsprechende Zertifizierung.

Bau- und Werkstoffe

Als Füller in Beton, Asphalt oder Kunststoffen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Produkte oder zur gezielten Veränderung der Produkteigenschaften.  Porosität, Korngrößenverteilung, Haftverhalten und Auswaschungsverhalten von Schadstoffen spielen hier eine große Rolle. Diese Eigenschaften können durch gezielte Aufbereitung modifiziert werden. Hierfür bieten wir verschiedene Verfahren an.  ​

Metallurgie

Kohle aus fossilen Quellen ist ein wichtiger Einsatzstoff in der Industrie, z.B. in der Sinteranlage zur Herstellung von Eisenerzagglomeraten, im Elektrolichtbogenofen als Einblas- bzw. Einsatzkohle oder als Legierungskohle zur Einstellung des Kohlenstoffgehalts des Stahls. Zur Erreichung einer CO2-neutralen Stahlherstellung spielt der Ersatz fossiler Kohlen durch Pflanzenkohle eine große Rolle. Entscheidende Parameter hierfür sind der Aschegehalt, die Menge der flüchtigen Bestandteile, der Brennwert, die Partikelgröße sowie die Reaktivität. Die Auswahl geeigneter Einsatzstoffe sowie die Prozessparameter bei der Umsetzung der Biomasse zur Erzeugung der Pflanzenkohle ist daher entscheidend.

Thermische Verwertung

Ob bei einer Verbrennung oder Vergasung der Pflanzenkohle zur Erzeugung von Prozesswärme oder Elektrizität ist der Heizwert, der Anteil an Kohlenstoff bzw. der Aschegehalt entscheidend. Gemeinsam mit Ihnen bewerten wir die Eignung und ggf. Optimierung der anfallenden Karbonisate für eine effiziente thermische Verwertung.  ​

Rückgewinnung von Wertstoffen

Biomassen und biogene Reststoffe enthalten zum Teil kostbare Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor oder Kalium. Im Rahmen einer Deponierung gehen diese für eine zielgerichtete Anwendung verloren. Durch eine pyrolytische Umsetzung können aus den Einsatzstoffen diese Nährstoffe gezielt entweder aus der Pflanzenkohle selbst oder den vorhandenen Nebenströmen (Gas, Öl, Wasser) zurückgewonnen und zielorientiert weiterverwendet werden.

Projektbeispiele

 

Projekt InterPyro

Pflanzenkohle aus Pyrolyseverfahren zur Aufwertung von Böden

 

EU-Projekt

Phy2Climate

Ein globaler Ansatz für die Rückgewinnung landwirtschaftlicher Flächen durch eine Kombination von Phytosanierung, Biokraftstoffproduktion und klimafreundlichem Kupferhüttenbetrieb.

 

EU-Projekt

FERTIMANURE

Vom Bauernhof zum Markt: Umwandlung von Tierdung in Düngemittel

Begrifflichkeiten: Biokohle – Pflanzekohle – (Biomasse-)karbonisat

Die Behandlung von Biomassen mittels eines thermischen Verfahrens (technische Pyrolyse oder hydrothermale Karbonisierung) führt zu einer Steigerung des relativen Kohlenstoffgehalts. Die so entstehenden Produkte bezeichnet man allgemein als Karbonisate, je nach Einsatzstoff ist auch der Begriff Biokohle oder Pflanzenkohle gebräuchlich. Zur Abgrenzung von Kohle aus fossilen Quellen, wird jedoch die Bezeichnung »Biomassekarbonisat« bevorzugt.

Kohlenstoffträger, die in Landwirtschaft oder Tierhaltung direkt als Stoff genutzt und eingesetzt werden können, definiert man als Pflanzenkohle. Bei deren Erzeugung kommen ausschließlich unbelastete Biomassen zum Einsatz.

Werden die Karbonisate durch Pyrolyse als Verfahren zur thermischen Behandlung erzeugt, so werden die entstehenden Produkte als Pyrolysekohle (oder auch Pyrolysekoks) bezeichnet. Bei holzartigen Einsatzstoffen und langsamen Heizraten im Pyrolyseprozess, erhält man als Produkt Holzkohle.

Der Begriff Terra Preta wird z.B. auch im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung von Pflanzenkohle verwendet. Hierunter versteht man einen stark durch Menschen beeinflussten Boden, der im Amazonasbecken vorzufinden ist und durch in ihn eingebrachte Karbonisate aus Biomasse besonders fruchtbare Eigenschaften besitzt.

Kohlenstoffhaltiges Material kann auch durch Biomassevergasung erzeugt werden. Diese Produkte bezeichnet man als Vergaserkoks. Dieser Begriff kann auch im Zusammenhang mit anderen, z.B. fossilen Produkten genutzt werden, und ist nicht rein auf Produkte aus Biomasse bezogen. 

Mehr Informationen

Fraunhofer Magazin

»Das neue Bodengold«