Chemisches Recycling von Kunststoffen

Chemisches Recycling (Feedstock Recycling oder Rohstoffliches Recycling) hat das Potenzial, auch stark verunreinigte und problematische Kunststoffabfälle z.B. Verbundmaterialien, zu recyceln. Es stellt damit eine Ergänzung zu mechanischen Verfahren des Kunststoffrecyclings dar.

Chemisches Recycling bei Fraunhofer UMSICHT

© Fraunhofer UMSICHT
Chemisches Recycling: von Abfallstoffen aus Verbundmaterialien zum Chemie-Grundstoff

Bei Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg entwickeln wir vorrangig thermochemische Konversionsverfahren sowie Aufbereitungs- und Reinigungsverfahren für Zwischenprodukte, die beim Rohstoff-Recycling entstehen.

Ziel: Kunststoffe in Neuware Qualität

Ziel der thermochemischen Konversion ist eine Depolymerisation der Kunststoffe, d.h. diese werden in Monomere, also niedermolekulare chemische Grundbausteine aufgespalten. Die entstehenden Verbindungen die sich im Pyrolyseöl bzw. -gas wiederfinden, können wieder einer Polymerisation zugeführt werden. Sie bilden Grundchemikalien, die für die Produktion von Kunststoffen in Neuware-Qualität geeignet sind.

Chemisches Recycling mit der iCycle-Plattform

iCycle Demonstrator für die thermochemische Aufbereitung von Verbundmaterialien
iCycle Demonstrator für die thermochemische Aufbereitung von Verbundmaterialien

Mit der von Fraunhofer entwickelten iCycle-Plattform werden kunststoffhaltige Feedstocks unter sauerstofffreier Atmosphäre bei Temperaturen über 500°C pyrolysiert. Die zerlegten Polymere lagern sich in den Pyrolyseprodukten Öl und Gas an und können aus diesen extrahiert werden. Mit der iCycle-Plattform für Chemisches Recycling verfügt Fraunhofer über Anlagen im Demonstrationsmaßstab.

Innovative Wärmetauscher-Technologien

Die iCycle-Pyrolyse unterscheidet sich von anderen Pyrolysetechnologien vor allem durch patentierte, neuartige Wärmetauscher-Technologien, die einerseits einen energieeffizienten Betrieb der Anlage sicherstellen, andererseits eine optimale Wärmeübertragung auf das Einsatzmaterial und bestmögliche Temperaturführung ermöglichen.

1. Schwerpunkt: Problem-Kunststoffe und Verbundmaterialien

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Shredderfraktion aus der Elektroschrott-Aufbereitung

Ein Schwerpunkt der Arbeiten von Fraunhofer UMSICHT im chemischen Recycling liegt auf problematischen, stark verunreinigten oder schadstoffbelasteten Kunststoffen und schwer recyclierbaren Verbundmaterialien, z.B. CFK und GFK (Windräder, Rotorblätter), Duroplaste, Harze oder Rückständen aus der Aufbereitung von Elektronikschrott (z.B. Leiterplatten) und Altfahrzeugen (z.B. Bremsbeläge oder Luftfilter).

Grundchemikalien aus Pyrolyseöl gewinnen

Häufig sind derartige Kunststofffraktionen reich an aromatischen Verbindungen. Diese Aromaten finden sich im Pyrolyseöl wieder, dies konnte durch GC-GC-MS-Analysen mehrfach validiert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es wirtschaftlich sinnvoll, diese Chemikalien direkt aus dem Pyrolyseöl zu extrahieren.

Fraunhofer bietet hier Technologieansätze, die vielversprechend sind: Beispielsweise konnte aus glasfaserverstärkten Kunststoffabfällen bereits ein Styrolkonzentrat erzeugt werden, das wieder zu Polystyrol polymerisiert wurde. Aus Leiterplatten konnte ein phenolreiches Öl hergestellt werden, aus welchem Phenol in kristalliner Form (> 99 % Reinheit) zurückgewonnen wurde.

2. Schwerpunkt: Aufbereitung und Reinigung von Pyrolyseölen

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Die Aufbereitung und Reinigung von Pyrolyseölen (hier aus Biomasse-Reststoffen zu Kraftstoffen) gehört zu den Kernkompetenzen von Fraunhofer UMSICHT

Im Bereich der aliphatenreichen Öle (z.B. aus Kunststoffen wie PP, PE ), die in erster Linie für die Herstellung von rohölähnlichen Produkten bzw. für die Kraftstoffsynthese genutzt werden, wird eine Qualitätsteigerung für die industrielle Weiterverarbeitung angestrebt, z.B. in einem Steam-Cracker.

Dehalogenierung von Pyrolyseprodukten

Fraunhofer entwickelt hierfür die optimalen Aufbereitungs- und Reinigungsverfahren für Pyrolyseöle, vor allem in Hinblick auf Stör- und Schadstoffentfrachtung.

Ein Fokus liegt auf der Eliminierung von halogenhaltigen, organischen Verbindungen (Dehalogenierung). Durch Cracken mit Hilfe von wasserstoffreichen Verbindungen werden beispielsweise Halogen-Kohlenstoff-Bindungen gespalten und schließlich als unschädliche Halogensalze aus dem Pyrolyseöl entfrachtet.

Hintergrund und Technologien: Chemisches Recycling

Vom Abfall zum neuwertigen Produkt: Das Chemische Recycling (auch Rohstoffliches Recycling oder Feedstock Recycling) hat das Potenzial - als Ergänzung zum werkstofflichen Recycling -, eine effizientere, rohstoffliche Nutzung von Kunststoffabfällen zu erreichen. Kunststoffe, die derzeit nicht recycelt werden, können so als Alternative zur Verbrennung wiederverwertet werden.

Ziel ist es, die Wertschöpfungskette vom Kunststoffabfall zur recycelten Neuware zu schließen, vor allem auch für sensible Produktbereiche wie Lebensmittelverpackungen oder Spielzeuge.

Von den im Jahre 2017 in Deutschland angefallenen 6,1 Mio t Kunststoffabfällen wurden 2,8 Mio t werkstofflich recycelt. 3,2 Mio t wurden energetisch verwertet, also größtenteils verbrannt. Hauptsächlich waren dies gemischte Kunststoffabfälle und Rückstände sowie Sortierreste aus dem mechanischen Recycling.

Kunststoff-Verunreinigungen verhindern Recycling

Auch Verunreinigungen der Kunststoffe durch Glas, Metalle, Fasern, Holz, Papier, Pigmente, Additive oder Flammschutzmittel erschweren die Rezyklierbarkeit, weil der Anwendungsbereich der erzeugten Rezyklate stark eingeschränkt wird. Besonders in diesen Stoffströmen sollte ein chemisches Recycling in Betracht gezogen werden, denn es bietet die Chance, aus diesen Fraktionen chemische Grundstoffe für die Kunststoffproduktion zu gewinnen. Gelingt die Bereitstellung der Grundstoffe in Neuwarequalität und frei von jeglichen Stör- und Schadstoffen, können Kunststoffprodukte künftig ohne Zyklenbegrenzung wiederverwendet werden.

Technologieüberblick Chemisches Recycling

Mögliche technologische Verfahren für ein chemisches Recycling sind zum Beispiel Lösungsmittel basierte Prozesse wie die Solvatisierung oder Solvolyse, aber auch hydrothermale Mikrowellen sowie thermochemische Prozesse (Pyrolyse, Vergasung). Die Wahl des jeweiligen Verfahrens hängt stark von der Zusammensetzung und der Verunreinigung des Einsatzmaterials ab.

Pyrolyse ermöglicht dezentralen Anlagenbetrieb

Thermochemische Vorgänge bieten sich für besonders stark gemischte und verunreinigte Stoffströme an. Ein Vorteil speziell der Pyrolyse gegenüber der Vergasung ist die Möglichkeit eines dezentralen Betriebs.

Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg blickt im Bereich der thermochemischen Verfahren auf eine langjährige Erfahrung zurück. Mit der iCycle®-Technologie ist es bereits gelungen, komplexe Stoffströme wie Elektronikschrott und Verbundmaterialien im Demonstrationsmaßstab (70kg/h) umzusetzen und dabei Fasern, Mineralien und Metalle zurückzugewinnen.

Im Bereich der Biomasse-Konversion steht mit der TCR-Technologie eine Plattform für die Synthese von grünem Rohöl für die Kraft- bzw. Wasserstoffproduktion zur Verfügung.

Film zum Chemischen Recycling

Der Film zeigt den Prozess des Chemischen Recyclings von Verbundmaterialien, über die Ölaufbereitung bis zum Kunststoffgranulat in Neuware-Qualität.

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